Alle meine Freunde und Bekannte sind sich einig: Die Barockkirche zwischen Nussdorf und Uhldingen ist eine der schönsten Kirchen in Deutschland. Vielleicht sogar die Schönste.
Die imposante altrosa Wallfahrtskirche liegt direkt an der Oberschwäbischen Barockstrasse. Und jeder Einheimische kennt das im Sommer: Man fährt zügig auf der B 31, will von A nach B, um dann kurz vor der Birnau abrupt auf die Bremse zu treten, weil jeder bei laaangsaaamer Fahrt die Kirche bewundern möchte und es deshalb ständig zu einem Rückstau kommt.
Verstehen kann ich ja die Touristen, die mit dem Handy schnell noch ein paar Fotos auf der Fahrt machen wollen. Auch ich bin immer wieder begeistert, besonders wenn zufällig gerade die Sonne untergeht und der Himmel und der See sich blutrot färben.
Die Kirche an sich gilt als Rokoko-Perle und ein absolutes Highlight am Bodensee. Denn nicht nur der Prachtbau ist wunderschön, sondern auch der Ausblick ist phänomenal. Hoch oberhalb des Sees thront die Birnau und gibt den Blick frei bis weit über den Bodensee bis zu den Alpen und der Blumeninsel Mainau. Und direkt an den Kirchplatz grenzen die Weinberge und das Schloss Maurach und laden die Ausflügler zum Verweilen und Spazierengehen ein.
Im Mittelalter hatte die Birnau noch einen anderen Standort. Weiter nördlich auf einem kleinen Hügel in der Nähe von Nussdorf. Es war eine kleine Marienkapelle, die als Wallfahrtsort genutzt wurde. Durch das Loskaufen von Sünden verdiente die Kirche durch die Pilger enorm viel Geld und deshalb wurde aus dem kleinen Kappelchen später im 14. Jahrhundert eine größere Kirche, damit die Gläubiger dort Platz fanden. Und wie die Kirchen nun mal sind, wurde zudem eine Marienfigur errichtet, die Wunder bewirken konnte und den Ansturm nochmals steigerte. So wurden die Kassen des Klosters immer voller.
Später wurde sich oft um die Kirche gestritten, sie wurde zerstört und wieder aufgebaut und letztendlich erfolgte der Neubau an der jetzigen Stelle. Die Bauzeit betrug nur 4 Jahre, auch dank der reichlich vorhandenen Gelder und 1750 wurde die heutige Birnau feierlich eingeweiht. Architekt war Peter Thumb, der weitgehend Materialien aus der Gegend verwendete: Kalk aus Bregenz und Holz aus Markdorf.
Natürlich durfte die verehrte Marienstatue aus der ehemaligen Kapelle nicht fehlen und in einer Nacht und Nebel Aktion wurde sie aus der ehemaligen Kapelle integriert.
Zeitgleich wurde unterhalb der Birnau das Schloss Maurach aus schon existierenden Gebäuden errichtet. Warum es als Schloss bezeichnet wird, weiß ich auch nicht, denn es handelte sich in früherer Zeit nur um die Stallungen der ehemaligen Reichsabtei Salem. Sie dienten dem Kloster als Wirtschaftsgebäude und Schiffsanlegestelle. 1980 kaufte die Landeskreditbank das Gebäude, modernisierte es und seitdem dient es als Tagung- und Seminarhaus.
Eine Eigenheit der Barockkirche ist die Hauptausrichtung. Normalerweise zeigen die schwäbischen Kirchen nach Osten, allerdings wurde hier die Richtung ein klein wenig nach Norden verschoben, damit die Sichtachse vom Bodensee schöner ist und es so aussieht, als ob die Kirchenspitze den Himmel berührt.
Typisch für die Kirche sind die vielen verzierten Uhren, 10 an der Zahl. Sie sollen unter anderem den Mönchen die Endlichkeit ihrer Tage vor Augen führen.Ungewöhnlich sind die 3 Uhren in der Kirche. Ich selbst kenne keine Kirche, in deren Inneren Uhren angebracht sind. Besonders schön ist die Monduhr, in der die Königin der Nacht mit einem Stab den Tag des Mondlaufes angibt, während die Kugel die Mondphasen verdeutlicht.
Im Inneren soll die Pracht der Kirche den Gläubiger von der Größe Gottes überzeugen. Vor lauter Pastellfarben, goldigen Ornamenten, Malereien und Figuren weiß man gar nicht, wo man zuerst hinschauen soll. Aber das ist eigentlich auch egal. Alles ist schön, wenn man auf Prunk steht. Minimalisten werden die Krise bekommen. Aber die sollten vielleicht auch nicht eine Barockkirche als Maßstab nehmen.
Besonders gefallen hat mir das Deckenbild im Langhaus. Über der Orgel wird eine Engelsgruppe dargestellt, die ein Konzert veranstalten. Gegenüber ist Maria zu sehen. Aber anstatt sich den Engeln zuzuwenden und das Konzert zu genießen, blickt sie zu den weltlichen Stiftern des Klosters Salem: Guntram und seine Tochter Mathilde von Adelsreute und den Salemern Äbten. So siegt mal wieder der schnöde Mammon vor der engelsgleichen Musik. Drumherum sind die Pilger abgebildet und der Maler dieses Bildes hat sich hier mit seinem gebrochenen Bein auch verewigt. Er ist während der Malerarbeiten anscheinend von der Leiter gefallen. Und nun kann man ihn mit bandagiertem Bein zwischen den Pilgern entdecken.
Am bekanntesten ist wahrscheinlich der kleine Honigschlecker am Seitenaltar, ein Putto mit Bienenkorb, der den Genuss der honigsüßen Worte vom Heiligen Bernhard symbolisieren soll. Ihn kann der Besucher auch in allen erdenklichen Größen im angrenzenden Souvenirshop erstehen.
Ob religiös oder nicht, egal welcher Konfession. Ich finde, die Birnau muss man gesehen haben. Es lässt sich auch vorzüglich dort heiraten. Die dort entstandenen Bilder sind ja fast schon eine Hochzeit wert.
Leider darf man in der Kirche -eigentlich- keine Bilder machen. Um mehr zu sehen, müsst ihr also selber vor Ort sein. Es lohnt sich!